Elke BaurJagdfieber

Jagdfieber

Ferdinand

Sobald es dunkel ist, beginnt meine Zeit! Dann mache ich das, was ich am liebsten mache. Ich streife durch die Nachbarschaft und beobachte die Leute. Wenn möglich betrete ich Grundstücke und versuche, so nah wie möglich an die Fenster heranzukommen. Und wenn mir ein Motiv gefällt, dann muss ich den Augenblick festhalten. Früher  benutzte  ich dazu teure Fotoapparate. Doch inzwischen machen die neuen Handys so gute Fotos, dass  ich meine Kamera  in den Ruhestand versetzt habe.    

Ich hasse alle Menschen. Schon als Kind war ich ein Einzelgänger und beschäftigte mich am liebsten mit mir selbst.  Ich wurde als Sohn einer wohlhabenden Arztfamilie geboren worden und nach dem Großvater, der ebenfalls im Feldlazarett schon Soldaten das Leben rettete,  Ferdinand genannt.  Wer nennt sein Kind schon Ferdinand! Das wurde mir bereits in der Grundschule zum Verhängnis. Kaum entdeckten mich die Kinder,  ging der Singsang los „Achtung! Hier kommt Ferdinand, der Niemand!“  Das hatte sich ein Mitschüler, der mich besonders gerne quälte, ausgedacht.  Ich hasste diesen Jungen namens Rainer. Seinen Namen werde ich wahrscheinlich nie mehr vergessen! Die Schule machte wirklich keinen Spaß!          Ich zog mich immer mehr zurück und entdeckte meine Leidenschaft für das Quälen von Tieren. Angefangen hat es damit, Käfern die Flügel herauszureißen. Doch dies wurde schnell langweilig, denn Käfer leiden stumm.  

Anders war dies bei Fröschen, die konnte man mit Hilfe eines Strohhalmes  so herrlich aufblasen, bis sie platzten. Ich konnte von ihrem Todeskampf nicht genug bekommen.  Als nächstes kamen Vögel und Katzen dran. Was ich mir hier alles an Praktiken einfallen ließ, um diesen Kreaturen Schmerzen zuzubereiten, war genial. Als Erwachsener konnte ich dann auf diese umfangreichen Erfahrungen zurückgreifen, wenn ich mal wieder Jagd auf einen Menschen machte.

Ja, Sie haben richtig gelesen. Ich jage Menschen! Und dann töte ich sie – langsam, sehr langsam. Ich habe bereits drei Menschen in den vergangenen Jahren getötet. Ob jung oder alt, männlich oder weiblich – das ist mir im Prinzip egal.

Meinen ersten Mord verübte ich mit Anfang 20! Und das war eigentlich eher Zufall. Als ich zum 16. Geburtstag einen Fotoapparat geschenkt bekam, entwickelte sich langsam die Vorliebe, die verhassten Menschen zu beobachten und zu fotografieren. Zuerst nur beim Spazieren gehen und auf belebten  öffentlichen Plätzen. Doch es ist nicht einfach, Menschen zu fotografieren, ohne dass es auffällt. Oft wurde ich angepöbelt oder beschimpft. Ich musste mir etwas anderes überlegen. Und so entstand die Idee, den Schutz der Dunkelheit für mein Hobby zu nutzen.

Und das mache ich seither Nacht für Nacht. Es ist wie ein lieb gewonnenes Ritual. Ich gehe abends früh zu Bett und stelle mir den Wecker. Je nach Jahreszeit etwas früher oder später – es muss nur bereits dunkel sein.  Dann geht es mit dem Fotoapparat auf die Pirsch.         

Wir wohnten damals am Waldrand in einer Großstadt im Westen des Landes. Wie bereits erwähnt, meine Eltern waren wohlhabend, denn die Praxis meines Vaters, eines Chirurgen, lief ganz gut. Unsere Nachbarschaft bestand aus schönen Stadtvillen mit weitläufigen Gärten. Ein Umstand, der mir natürlich sehr zugute kam.  Zäune und Mauern waren kein Hindernis für mich. Ich war damals ein  drahtiger junger Mann.

Einen Bewohner eines Hauses in der Nähe hatte ich schon längere Zeit beobachtet. Ich musste nur zwei  Querstraßen weiter zum Ende der Sackgasse laufen. Ein älterer Mann bewohnte das Haus, das nur durch einen Jägerzaun eingezäunt war.  Kein Hindernis für mich!  Dieser Mann hatte die Angewohnheit,  bis tief in die Nacht auf dem Sofa vorm Fernseher  zu sitzen,  nur mit seiner Unterhose und einem Unterhemd bekleidet. Dazu muss man noch erwähnen, dass er mindestens 150 kg wog. Kein ästhetischer Anblick! Sein Bauch hing über der Hose und sein Unterhemd war mit den Speiseresten des ganzen Tages bedeckt.  Der Mann war überhaupt sehr ungepflegt. Die fettigen Haare seines Haarkranzes hingen fast bis zu den Schultern und ein zotteliger Bart bedeckte den unteren Teil des Gesichts. Und das war genau das, was mich so fesselte und gleichzeitig die Abneigung gegen andere Menschen schürte. Ich war angeekelt und fasziniert zugleich!  Und ich konnte viele tolle Fotos durch das Fenster machen.

Eines Nachts ging ich wieder zu diesem Haus. Es war alles wie sonst! Das Licht im Wohnzimmer brannte, der Fernseher war an. Nur das Sofa war leer. Ich ging um das Haus und sah, dass hinten in der kleinen Toilette Licht brannte. Außerdem war das Fenster leicht nach innen geöffnet. In der Hoffnung, mal eine andere eklige Situation aufnehmen zu können,  schlich ich geduckt langsam zu dem Fenster. Ich hob die Hand mit der Kamera und versuchte mit Hilfe des Suchers einen Schnappschuss zu machen. Doch in dem Moment, als ich den Auslöser drückte, gab es dieses spezifische Geräusch, das jede Kamera beim Fotografieren von sich gibt. Mist, das hatte ich ganz vergessen! Und in dieser lauen Spätsommernacht war einfach alles zu hören. 

Der Mann hob den Kopf und schaute zum Fenster, das direkt über der Toilette war. Er sah die Kamera und fing sofort an, laut um Hilfe zu rufen.  Inzwischen hatte er sich auch von der Toilette erhoben und stand mir Auge in Auge gegenüber.  Ich bekam Panik und stieß das Fenster mit großer Wucht gegen seinen Kopf. Es war mir alles egal, der alte Mann soll nur ruhig sein.  Dieser war von diesem Stoß so überrascht, dass er einen Schritt zurückmachte. Doch er hatte wohl vor Schmerzen und Schock vergessen, dass hinter ihm die Badewanne war. Er verlor das Gleichgewicht und fiel rückwärts in die Wanne. Dort blieb der Mann regungslos liegen.

Ich überlegte panisch und kam zu dem Schluss, ins Haus zu gehen und nachzuschauen, ob der Mann noch lebt.  Schließlich konnte ich kein Risiko eingehen. Ich kletterte durch das Fenster ins Badezimmer. Der Mann lag immer noch bewegungslos in der Wanne und sein massiger Bauch hob und senkte sich. Allerdings gab er inzwischen ein leises Wimmern von sich. Unter seinem Hinterkopf war Blut zu sehen. Unverkennbar lebte er also noch. Das musste ich schnell ändern, denn noch hatte niemand in der Nachbarschaft etwas bemerkt und ich wollte auch nicht, dass mein Hobby in den Fokus der Polizei rückte. Ich blickte mich in seiner Wohnung um und sah im Wohnzimmer einen Aschenbecher aus Marmor.  In meiner Hand fühlte sich das schwere Gewicht sehr gut an.

Zurück im Badezimmer stand ich vor der Badewanne und sah den Mann an. Ich hob die Hand mit dem Aschbecher und zögerte. Das war kein Frosch, kein Vogel, keine Katze… In diesem Moment öffnete er die Augen und sah mich an. Ich konnte ihm ansehen, wie er überlegte, was eigentlich passiert war. Doch gerade in dem Moment, als er den Mund öffnete, um zu schreien, war ich schneller und schlug ihm den Aschenbecher mit voller Wucht  auf den Schädel. Totenstille! Sehr viel Blut strömte  aus der offenen Wunde am Kopf, der Mann zeigte keine Regung mehr. Ich fühlte nach dem Puls,  so wie ich es in der Schule beim Erste-Hilfe-Kurs gelernt hatte.  Es war nichts zu fühlen! Anders als bei mir!  Ich merkte plötzlich, wie mir die Tat und der Anblick der Leiche einen wohligen Adrenalinschub versetzt hatten. Ein angenehmes Gefühl durchströmte meinen Körper und versetzte mich in einen erregten Zustand.

Ich konnte meine Augen nicht von der Leiche wenden und beschloss, mir als Andenken noch ein paar Fotos zu machen. Und die sind wirklich gut geworden! Die habe ich noch heute! Dann verließ ich das Haus wieder durch das Fenster und nahm den Aschenbecher mit. Den versteckte ich ganz tief unten in unserer Mülltonne, wissend, dass sie am übernächsten Morgen geleert wurde.

Es versteht sich von selbst, dass dieser erste Mord  unentdeckt blieb und der Tod des Mannes später, als er entdeckt wurde, als häuslicher Unfall durchging. Sonst hätte ich die nächsten 2 Morde nicht durchführen können.

Mein Jagdfieber war geweckt.  Dieses Gefühl, das ich dabei empfunden habe,  wurde zur Sucht. Aber ich war intelligent genug, dass es auch gefährlich ist, dieser Sucht zu erliegen. Man muss sie kontrollieren. Und da ich bei meinem ersten Mord 20 Jahre alt war – eine runde Zahl – habe ich mir vorgenommen, mir quasi selbst immer zu einem runden Geburtstag einen neuen Mord zu schenken. Und die Zeit dazwischen müssen die Bilder und das Beobachten von Leuten zur Befriedigung der Gier herhalten. Aber wenn ich eines in meinem Leben gelernt hatte, war es Disziplin und Selbstkontrolle.

Mit 28 lebte ich bereits vom Erbe meiner Eltern. Keine Angst, die hatte ich nicht auf dem Gewissen! Noch zu ihren Lebzeiten hatte ich mich zu einem  Medizinstudium entschlossen. Da waren meine Eltern so stolz, dass ich die berufliche Tradition in meiner Familie weiterführen wollte. Natürlich konnten sie nicht ahnen, dass ich das  Medizinstudium nicht zum Wohle der Menschen machen wollte. Nein, das Gegenteil war der Fall. Ich nutzte das Studium dafür, um den menschlichen Körper genau studieren zu können und um insgeheim zu lernen, welche Stellen man am besten verletzen kann, so dass es danach immer noch wie ein Unfall aussieht.   

Als meine Eltern dann nach und nach an Krankheit starben, beendete ich mein Studium vorzeitig und zog in eine andere Stadt. Das einzige, was ich als Andenken von zuhause mitnahm, waren ein paar medizinische Werkzeuge meines Vaters und der antike Knochenhammer meines Großvaters, den er bereits im  Feldlazarett benutzt hatte. Diese Dinge würden sich bestimmt noch nützlich für mich erweisen.

In dieser Stadt suchte ich mir in Ruhe mein nächstes Opfer. Wie gesagt, ich war nicht wählerisch, ich hatte ja noch zwei Jahre Zeit, bis ich 30 wurde. Ich streifte jede Nacht durch die Straßen und schaute in die Fenster, in denen noch Licht brannte. Man sollte nicht glauben, wie viele Menschen zu den sogenannten „Nachteulen“ zählen und sehr spät ins Bett gingen. Das kam mir sehr entgegen.  Ich machte sehr viele Fotos. Tagsüber erkundigte ich meistens die Gegend rund um diese Stadt, denn ich würde ja auch einen geeigneten Ablageort für die Leiche benötigen, bei dem ich mir sicher war, dass ihn niemand so schnell finden würde.

Als erstes fand ich das Versteck. In einem Wald ein paar Kilometer von meinem Wohnort entfernt  war ein eingezäuntes Militärgrundstück mit einem dazugehörigen wohl eingefallenen oder vielleicht auch gesprengten Bunker.  Soweit mir bekannt war, wurde dieses Gelände nicht mehr benutzt. Wie gesagt, ich war ein sportlicher junger Mann. Der Zaun war kein Problem, nur am Bunker selbst musste ich nur ein paar Tage hintereinander größere Brocken des eingefallenen Daches zur Seite rücken. Der darunterliegende tiefe Hohlraum war sehr gut für meine Zwecke geeignet.  Einziges Problem war nur, glaubhaft darzustellen, dass das spätere Opfer das Gelände selbst betreten hat. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, kurz vor dem besagten Abend einfach an einem Pfosten in der Nähe des Bunkers den Maschendrahtzaun zu lösen. Selbstredend mit  Handschuhen! Denn der Zaun bleibt dann geöffnet, um das Ganze auch wie einen Unfall aussehen zu lassen, falls die Leiche doch irgendwann gefunden werden sollte.

Das Opfer zu finden, dauerte etwas länger. Nacht für Nacht streifte ich durch die Straßen und fotografierte in Frage kommende Personen. Doch keine hat mich so in den Bann gezogen, dass ich das Verlangen spürte, diesen Menschen  zu töten. Und dann wurde ich fündig. In einem kleinen Haus mit gepflegtem Grundstück im neuen Wohngebiet war ein einziges Fenster in Richtung Garage beleuchtet.  Das machte mich neugierig! Denn wenn ich vor dem Fenster stand, war ich von den umliegenden Gebäuden aus nicht mehr zu sehen.  Ich schlich mich zu dem Fenster hin und war fasziniert. Eine junge Frau saß vor ihrem Spiegel, nur mit BH und Slip bekleidet. Sie schminkte sich sehr stark und meiner Meinung nach übertrieben – ich konnte meinen Blick einfach nicht mehr von ihr wenden. Diese kleine Schlampe! Lautlos machte ich dutzende Fotos von ihr – ich habe von meinem ersten Mord gelernt.

So vergingen die nächsten Wochen. Ich beobachtete und fotografierte die junge Frau. Während ihre Eltern schliefen, verließ sie mehrere Nächte hintereinander die Wohnung – sehr geschminkt und leicht bekleidet. Eines Nachts beschloss ich, ihr zu folgen. Es stellte sich schließlich heraus, dass sie immer mit den öffentlichen Verkehrsmitteln  zum Bahnhof fuhr, sich dort erst einmal mit Heroin versorgte und dann  in einer Nebenstraße auf Freier wartete. Das war fast wie ein Sechser im Lotto für mich und  könnte ein einfaches Unterfangen werden.

Kurz vor meinem 30. Geburtstag stand meine Planung fest. Ich besorgte mir am Bahnhof mehrmals hintereinander Heroin bei dem Verkäufer, der die Kleine bei meinen Beobachtungen versorgt hatte. Und genau dieses Heroin verkaufte ich später der kleinen Schlampe dann unbemerkt in der Nebenstraße und erschlich mir so ihr Vertrauen. Am Abend meines Geburtstages, die junge Frau kam gerade wieder von einem Freier zurück, sprach ich die Kleine an und sagte ihr, dass ich heute leider das Heroin in meinem Auto vergessen hatte. Falls sie welches kaufen wollte, müsste sie mit mir gehen, um es zu holen.  Es war so einfach. Sie ging mit mir und als sie sich zu mir ins Auto setzte, um den angeblichen Verkauf abzuwickeln, knallte ich plötzlich ihren Kopf gegen das Beifahrerfenster. Sofort sank sie bewusstlos zusammen und ich konnte in Ruhe zum Bunker fahren. Dort war schon alles vorbereitet. Eine starke batteriebetriebene Leuchte und meine Instrumente hatte ich schon auf einer Plastikfolie in der Nähe deponiert. Dann musste ich nur noch durch einen gezielten dumpfen Schlag gegen die Wirbelsäule dafür sorgen, dass sie sich nicht mehr bewegen konnte. Denn fesseln wollte ich sie nicht, um nicht noch irgendwelche Spuren zu hinterlassen.                                                                                                              Die Schlampe kam wieder zu sich. Sie konnte mir keine größere Freude bereiten. Ich nahm mir die ganze Nacht mit meinen medizinischen Instrumenten Zeit für sie. Dabei achtete ich immer darauf, dass alle Verletzungen, die ich ihr beibrachte, auch natürlichen Ursprungs sein könnten. Als finale Verletzung hatte ich mir einen offenen Oberschenkelbruch mit erheblichem Blutverlust überlegt, der langsam zum Tod führte. Und dabei machte ich wirklich tolle Fotos, die mir auch die lange Zeit bis zum nächsten Mord in den nächsten Jahren immer wieder sehr große Befriedigung bereiteten. Meine Fotoalben füllten schon mehrere Regale in meinem Schlafzimmer.

Die Leiche der Frau trug ich dann zum Bunker. Die Kleine wog ja nichts. Danach stieß ich sie durch die Öffnung am Dach, deren Ränder ich ebenfalls mit Folie abgedeckt hatte. So wollte ich verhindern, dass irgendwo außerhalb des Bunkers Blutspuren zu finden wären.

Die Monate vergingen und ich verfolgte die Vermisstenanzeige der jungen Frau in den Medien. Man nahm an, dass sie von zu Hause ausgerissen und drogenabhängig untergetaucht war. Der Fall wurde für die Medien immer uninteressanter. Erst kurz vor meinem nächsten Umzug hatte ein Wanderer dann ihre skelettierte Leiche entdeckt. Die Polizei ging anhand der Verletzungen von einem Unglücksfall aus.

Ich hatte mir vorgenommen, nach jedem Mord sicherheitshalber in eine andere Stadt zu ziehen. Nicht gleich, aber innerhalb der nächsten zwei Jahre.  So konnte ich mir in Ruhe ein Haus in einer geeigneten Stadt suchen und den Umzug zu planen. Das kostete zwar jede Menge Zeit, aber wenn ich etwas im Überfluss hatte, war es genau das.  Und um Geld  musste ich mir ja sowieso keine Sorgen machen. So hatte ich den Kopf frei, um den nächsten Mord besser vorbereiten zu können.

Mit 40 war mein Opfer ein Mann mittleren Alters. Ich hatte ihn nach einer langen Suche  an meinem nächsten Wohnort entdeckt. Er lebte mit seiner Frau in einer Kellerwohnung in einem größeren Wohnblock und jede Nacht war seine Wohnung die einzige, die noch Licht hatte. Bei meinen Beobachtungen hatte ich entdeckt, dass er eine Beinprothese trug. Faszinierend! Und ein tolles Fotomotiv, sobald er sich von ihr befreite und sie in die Ecke stellte. Der Beinstumpf war wirklich beeindruckend. Schöne Bilder! Und dann fand ich auch noch heraus, dass er an drei bestimmten Abenden in der Woche kurz vor Dämmerung eine Strecke durch den Wald lief. Er war zwar nicht der schnellste, aber kam ganz gut mit der Prothese zurecht. Er hatte sie wohl schon länger. Das Ziel war immer eine kleine Burgruine auf einem Hügel, an der er wieder kehrtmachte. Seine Frau begleitete ihn nie, denn sie verließ montags bis freitags immer abends die Wohnung. Sie arbeitete wohl in einer  Nachtschicht!

Dieser Mord stellte sich als der einfachste heraus. Nachdem ich herausgefunden hatte, dass es keinen Jagdpächter für das Gebiet rund um die Ruine gab und auch sonst niemand abends jemals dort von mir gesehen wurde, habe ich mich an einem seiner Abende in dem alten Gemäuer versteckt und den Mann einfach abgepasst. Als der Mann seine Runde um die Ruine drehte und mir den Rücken zukehrte, bin ich auf ihn zugegangen und habe ihn wortlos den Hang hinuntergestoßen. Und zwar dort, wo es ziemlich steil nach unten geht. Der Mann war so verdutzt, dass er nicht mal geschrien hatte. Ich stieg den Hang zu ihm runter und freute mich, dass er den Sturz so gut überlebt hatte. Er lag zwar bewegungslos am Boden und seine Beinprothese lag etwas abseits, war aber offensichtlich noch am Leben.  Er wimmerte leise vor sich hin. Und für diesen Fall hatte ich meinen Knochenhammer in der Tasche. Ich wollte ihm noch ein paar schöne weitere Frakturen beibringen und dabei Fotos machen. Während ich auf ihn einschlug, hörte sein Jammern plötzlich auf.    “Nein, das kann nicht sein! Du stirbst mir jetzt nicht den Herztod, mein Freund!“  dachte ich und begann mit Reanimationsmaßnahmen.  Da ging der „Mediziner“ in mir durch! Nach einer gefühlten Ewigkeit kam er tatsächlich zu sich, nur um kurze Zeit später an einem komplizierten Schädelbruch wieder zu sterben.

Ich ließ ihn dort liegen und ging befriedigt nach Hause. Mein Abend war gerettet und meine Bildersammlung um einige Schnappschüsse umfangreicher.

Auch dieser Mord wurde nie aufgedeckt, da die Polizei anhand der Spurenlage von einem tragischen Unglücksfall ausging.

Und jetzt mit Ende 40 wohne ich im Osten des Landes. Meine Kamera habe ich inzwischen gegen ein Handy getauscht und freue mich über das leichte Gewicht sowie die einfache  Handhabung. Selbst  die Fotos sind von toller Qualität.

In den vergangenen Monaten bin ich immer wieder durch die dunklen Straßen gelaufen, auf der Suche nach beleuchteten Fenstern. An sehr viele Fenster habe ich mich bereits herangeschlichen und reingeschaut. Doch ich habe noch niemanden gefunden, der mein Interesse geweckt hatte. Es muss dazu bei mir einfach „klick“ machen  – dann fühle ich Ekel und Faszination zugleich.

Heute nehme ich mir das gegenüber vom Stadtkern liegende neue Wohngebiet  vor. Die Innenstadt selbst ist in der Regel für meine Zwecke leider zu dicht bebaut und es gibt nicht so viele Verstecke, um die Leute hinter den Fenstern unbemerkt zu beobachten und zu fotografieren. Das habe ich in der Vergangenheit bedauerlicherweise sehr zeitraubend schon oft feststellen müssen.

In der „Wiesenstraße“ zog mich ein Haus am Ende magisch an. Im Untergeschoss brannte noch Licht und der große Garten mit vielen hohen Sträuchern war ideal. Ich schlich mich langsam an das große Terrassenfenster. Vereinzelt lagen Spielsachen im Gras und in der Ecke stand ein Dreirad. Also müssen auch Kinder in dem Haus wohnen.

Keine Angst, Kinder haben mich noch nie sonderlich interessiert. Erstens sind die um diese Zeit sowieso immer im Bett und nie zu sehen. Und zweitens ist ja der Reiz an meinen Taten der, wie sehr die Opfer sich mit der Erkenntnis quälen, nicht mehr lange leben zu können, sobald ich mit meiner „Behandlung“ angefangen habe. Dies können nur erwachsene Menschen mit einer gewissen Lebenserfahrung nachvollziehen. Und ich brauche es, um zu meiner Befriedigung  zu gelangen und gute Fotos machen zu können.

Eine Frau und ein  Mann saßen im Wohnzimmer auf der Couch. Naja, erst einmal eine völlig uninteressante Situation. Doch je länger ich den Mann anschaute, umso mehr kam ich ins Grübeln. Irgendwie kam er mir bekannt vor.  Er war ungefähr in meinem Alter, kurze graue Haare, Brille, massiger Körper. Aber diese Gesichtszüge – ich hatte keine Ahnung, woher ich ihn kennen könnte.  In der Stadt selbst bin ich tagsüber selten unterwegs. Meine Einkäufe erledige ich am Wochenende in einem Supermarkt in der Nähe meines Wohnhauses. Vielleicht ist er mir dort schon begegnet? Keine Ahnung! Ich machte mal vorsichtshalber ein Foto von den beiden und ging weiter. Mal sehen, was die Nacht noch bringt!

Vergeblich! Ich hatte zwar noch ein paar beleuchtete Fenster gesehen, aber keiner  der  Menschen, die sich dahinter befanden, hatte mein Interesse geweckt.  Die nächsten Tage und Wochen habe ich ja noch Zeit. Bestimmt wartet mein nächstes Opfer hinter einem der nächsten Fenster.

Ich ging langsam nach Hause! Der Mann von der Wiesenstraße ging mir nicht aus dem Kopf. Ich schaute immer wieder auf mein Handy und studierte sein Foto! Ich hatte das Gefühl, irgendein Gedanke ist in meinem Hinterkopf und wartet nur darauf, nach vorne zu kommen.

Zuhause angekommen versuchte ich zu schlafen. Vergeblich, ich konnte einfach nicht einschlafen. Ständig kreisten meine Gedanken um den Mann! Ich war schon kurz davor, eine Schlaftablette zu nehmen. Und dann, kurz vorm Einschlafen machte es „klick“. Schlagartig wurde mir bewusst, wer dieser Mann war!  Rainer, der Junge aus meiner Schulzeit, der mich ständig gequält hatte. Heutzutage würde man dies Mobbing nennen!                                                                                                                     Und jetzt konnte ich erst  recht nicht mehr einschlafen. Sofort gingen mir die ganzen Erlebnisse aus meiner Schulzeit wieder durch den Kopf, die ich die letzten Jahre so erfolgreich verdrängt hatte. 

Irgendwann tief in der Nacht siegte die Müdigkeit und ich konnte doch noch ein paar Stunden schlafen. Morgens beim Frühstück hatte ich dann meinen Entschluss gefasst. Rainer musste dafür büßen, was er mir angetan hatte. Ich musste mir nur einen Plan überlegen, wie ich meine medizinischen Kenntnisse am besten an ihm ausprobieren konnte. Er sollte in den Genuss meiner besten Behandlung kommen.

In den nächsten zwei Wochen war ich jede Nacht in der Wiesenstraße. Bei jedem Wetter. Regen ist sogar noch günstiger für mich – kein normaler Mensch kommt in der Regel  auf die Idee, dann spazieren zu gehen. Ich beobachtete Rainer und seine Frau! Eigentlich fast zu stinknormal für mich! Schade! Es gab nicht viele Situationen, die ich mit dem Handy festhalten wollte. Doch Ende der zweiten Woche sah ich durch das große Terrassenfenster plötzlich mehrere Koffer im Wohnzimmer stehen.  Ich bekam Panik. Die wollen doch jetzt nicht etwa verreisen? Das würde mir erst mal einen gewaltigen Strich durch die Rechnung machen.

Ich überlegte, die beiden jetzt intensiver zu beobachten. Am nächsten  Morgen parkte ich mein Auto gegenüber vom Haus und legte mich auf die Lauer.

Gegen 10.00 Uhr verließ die Frau mit zwei Kindern – einem Jungen und einem kleinen Mädchen – das Haus. Rainer ging hinterher und trug die Koffer. An ihrem Auto angekommen, verstaute die Frau die Kinder und Rainer stellte die Koffer in den Kofferraum. Er ging zu seiner Frau, die an der Fahrertür des Autos stand. Er küsste sie auf den Mund und winkte danach seinen Kindern zu. Die Frau stieg ins Auto und fuhr los. Rainer blieb winkend vor dem Haus stehen.

Ich war verblüfft und konnte mein Glück nicht fassen. Rainer blieb zuhause und war somit weiterhin für mich greifbar. Hocherfreut fuhr ich wieder nach Hause zurück.

Ich konnte es kaum abwarten. Sobald es dunkel war machte ich mich dieses Mal direkt mit dem Auto auf den Weg zu Rainer. Alles andere dauerte mir zu lange.

Er war zuhause – das Licht im Wohnzimmer brannte. Ich schlich mich wieder an das Terrassenfenster, vorbei an den Spielsachen, die immer noch auf dem Rasen lagen. Da saß er. Er hatte es sich auf der Couch mit Chips vorm Fernseher gemütlich gemacht.  Nichts Spannendes! Ich machte gelangweilt ein paar Fotos und habe mir vorgenommen, ihn noch ein paar Abende zu beobachten. Auch um herauszubekommen, ob er weiterhin noch alleine ist.

Die nächsten zwei Abende passierte auch nichts Weltbewegendes. Einmal saß Rainer am Esszimmertisch und schrieb etwas in seinen Laptop, bevor er ins Bett ging, und am anderen Abend war er auf der Couch vorm Fernseher eingeschlafen. An diesem Abend überlegte ich kurz, ob ich ihn einen häuslichen Unfalltod sterben lassen sollte. Doch ich hatte mein Werkzeug nicht dabei und so fuhr ich unverrichteter Dinge wieder nach Hause. Langsam musste ich mir etwas für ihn überlegen.

Der dritte Abend war eine angenehme laue Herbstnacht. Ich entschloss mich, zu Fuß zu Rainer zu gehen und ihn noch ein Weilchen zu beobachten. Von weitem wunderte ich mich bereits über die fast intime Beleuchtung des Wohnzimmers und schlich langsam zum großen Fenster. Im Hintergrund konnte man leise Musik hören.  Rainer selbst war nicht zu sehen. Ich wartete ab und überlegte, was wohl heute los war. Hatte Rainer vielleicht eine Affäre, die heute zu Besuch war?                                        Was jedoch dann geschah, übertraf alle meine Vorstellungen.

Rainer kam mit einem roten BH und einem passenden Spitzenhöschen bekleidet ins Wohnzimmer. Er trug eine braune Perücke und hatte sich sogar geschminkt. Er tanzte zur Musik. Ich war völlig perplex und zückte mein Handy. Es hatte bei mir „klick“ gemacht. Das war ein Motiv ganz nach meinen Vorstellungen. Ich filmte sogar ein kleines Video und machte sehr viele Fotos. Ich war fast wie im Rausch!  

In diesem Moment ging Rainer auf das Fenster zu. Hatte er mich vielleicht gesehen? Erschrocken machte ich einen Schritt zurück und steckte das Handy währenddessen in meine Jackentasche. Doch ich hatte vergessen, dass hinter mir die Spielsachen der Kinder lagen und stolperte über einen kleinen bunten Ball. Verdammt! Noch während ich fiel, überlegte ich mir, was ich tun würde, sollte Rainer mich entdecken.

Doch Rainer schaute gar nicht zum Fenster hinaus. Er nutzte das Terrassenfenster als Spiegel und  rückte sich den BH zurecht. Danach verließ er leicht tänzelnd wieder das Wohnzimmer.

Ich rappelte mich auf und hatte genug für heute. Schnell ging ich wie in Trance nach Hause. Leicht geschockt – Rainer hatte wohl immer noch großen Einfluss auf meine Psyche – zog ich mich um und legte mich ins Bett. Es dauerte wieder lange, bis ich eingeschlafen war.  Ich war hin- und hergerissen und konnte nicht entscheiden, ob ich Rainer weiterhin beobachten oder sobald wie möglich töten sollte. Letztlich nahm ich dann eine Schlaftablette – ich bin ja auch mein eigener Arzt! – und schlief endlich ein.

Rainer

Sturmfreie Bude! Meine Frau ist mit den Kindern bei ihren Eltern. Meine Schwiegereltern und ich – das sind zwei verschiedene Welten. Meiner Frau war es lieber, dass ich zuhause bleibe.

Übrigens weiß meine Frau natürlich nichts von meiner Schwäche für Frauenkleider. Ich habe mir schon lange ein paar Dessous gekauft, die ich trage, wenn ich mehrere Tage alleine zuhause bin. Es fällt mir nicht schwer,  Außenstehenden gegenüber den harten Kerl zu mimen. Das habe ich in der Schule schon gekonnt. Und andererseits lebe ich meine Schwäche aus. Ganz im geheimen! Es ist wie die verbotene Frucht, die besonders guten Geschmack verspricht.

Heute Abend habe ich mal wieder die rote Unterwäsche herausgekramt. Die finde ich am schönsten. Es war so befreiend im Wohnzimmer zur Musik zu tanzen.  Nur schade, dass meine Frau nicht so oft mit den Kindern unterwegs ist.

Nach dem Abschminken habe ich erst einmal alle Sachen wieder in der Garage in der kleinen Kiste versteckt. Die Garage ist mein Reich. Meine Frau geht so gut wie gar nicht rein, nur um das Auto einzuparken. So kann ich mir sicher sein, dass sie nicht mal zufällig in diese Kiste schaut.  Dann legte ich mich schlafen. Nach einem solchen Abend schlafe ich immer besonders gut. Es ist so, wie wenn man sich in jeder Beziehung etwas sehr Gutes gegönnt hat und vollends zufrieden ist.

Am nächsten Morgen erwachte ich sehr früh richtig gut gelaunt. Ich hatte mir einen Tag Urlaub genommen, um mal wieder den Rasen zu mähen. Ich zog mich an und wollte dies gleich morgens erledigen.  

Im Garten angekommen musste ich erst einmal die Spielzeuge der Kinder aufräumen. Das ist doch immer das Gleiche! Warum kann meine Frau eigentlich den beiden nicht endlich mal beibringen, dass man seine Sachen nicht einfach wo man geht und steht liegen lässt? Egal, wenn sie wieder da ist, werde ich das Ganze mal wieder ansprechen.        

Zuerst bückte ich mich nach dem Spielzeugauto, das mein Sohn gerne zum Transport von Sand aus seinem Sandkasten benutzt. Kurzer Wurf zurück in den Sandkasten und die Sache war erledigt. Dann wollte ich den Ball meiner Tochter einsammeln, der ebenfalls auf dem Rasen lag. Doch halt, was war das? Da lag doch ein Handy auf meinem Rasen! Ich war irritiert. Meines war es definitiv nicht!

Wie kam das Handy auf meinen Rasen? Ich nahm es in die Hand und schaltete es ein. Keine Tastensperre und keine Fingerabdruckerkennung. Da war aber jemand nachlässig bei seinen Daten. Aber halt, es gab auf diesem Handy weder Kontakte, die aufgelistet waren, noch irgendwelche SMS oder eine Anrufliste. Total überrascht stellte ich fest, dass es ein Fotoalbum mit dem Namen „Rainer“ gab. Das wird ja immer seltsamer. Ich schaute mir die dort gespeicherten Fotos näher an und erschrak. Oh Gott, das war ja ich. Das musste wohl gestern Abend aufgenommen worden sein, als ich meine weibliche Seite ausgelebt habe. Wie peinlich! Und es gab sogar einen kleinen Videofilm darüber. Zusätzlich  gab es auch noch viele „normale“ Fotos von mir und meiner Frau – immer abends im Wohnzimmer aufgenommen. Da hat uns jemand aber gut ausspioniert. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Sollte ich die Fotos und den Videofilm einfach löschen und das Handy wegwerfen?  Aber der harte Kerl  in mir verlangte, dass derjenige zur Rede gestellt wird, der die Fotos gemacht hatte. Und dazu benötigte ich das Handy als Beweismittel, und zwar so wie es jetzt ist. Nicht von mir manipuliert.  Ich hatte das Gefühl, dass meine Familie ernsthaft in Gefahr war.

Ich setzte mich in einen unserer Gartenstühle und überlegte. Es half alles nichts. Ich musste zur Polizei gehen, falls ich unsere Familie schützen wollte. Denn meine Kinder und meine Frau waren mir das Wichtigste im Leben. Doch die Dessous-Fotos? Vielleicht konnte man ja mit der  Polizei einen Deal vereinbaren, dies meiner Frau gegenüber zu verheimlichen. Na und wenn nicht, dann müsste ich es halt meiner Frau gegenüber beichten.  Ich war mir sicher, dass sie mir verzeihen würde, denn schließlich habe ich ja keinen Mord begangen!

Ich nahm das Handy und ging zur Polizei. Der Beamte, der die Anzeige entgegennahm, war sehr entgegenkommend und versprach, meine Bitte zur Verschwiegenheit meiner Frau gegenüber so weit  wie möglich zu berücksichtigen. Er könnte es natürlich aber nicht versprechen.  Kurz bevor ich ging, kam zufällig noch ein weiterer Kollege hinzu, der meinte, dass hier vielleicht sogar Gefahr in Verzug wäre und man sofort den Besitzer über die Handynummer ausfindig machen sollte. Auch wäre es nicht schlecht, wenn dann beim Staatsanwalt sofort ein Durchsuchungsbeschluss für dessen Zuhause beantragt wird. Je schneller dies passiert umso besser. Wer weiß, vielleicht sind wir ja nicht die einzige Familie, die beobachtet wird.

Mit dem Gefühl, dass die ganze Angelegenheit eine Wendung in die richtige Richtung nahm, ging ich nach Hause!

Ferdinand

Ich habe geschlafen wie ein Toter! Das war schon fast ein Witz an sich. Ich, der eigentlich anderen zum Tod verhilft.  Inzwischen war es schon sehr spät am Nachmittag und ich quälte mich aus meinem Bett. 

War vielleicht doch nicht so eine gute Idee das mit der Schlaftablette.  Noch halb benommen machte ich mir ein spätes Frühstück und sortierte langsam wieder meine Gedanken. Nach und nach fiel wieder ein, was mir gestern Abend so einen Kick gegeben hatte. Ich musste mir die Bilder und den kleinen Film sofort anschauen.  Damit ich weiß, dass ich dies nicht nur geträumt habe.

Ich ging zu meiner Jacke und griff voller Vorfreude in die rechte Tasche. Nichts! Das konnte nicht sein. Vielleicht hatte ich das Handy  mal ausnahmsweise in die andere Tasche getan? Nein, Fehlanzeige. Langsam wurde ich nervös. Ich ließ den Abend noch einmal Revue passieren. Gerade in dem Moment, als mir der Sturz wieder einfiel und damit die Tatsache, dass das Handy wahrscheinlich  aus meiner Jackentasche gefallen ist, klingelte es an der Haustüre!

Ein ganz fremdes Geräusch und momentan äußerst ungünstig! Ich bekomme so gut wie nie Besuch! Denn außer verirrten Vertretern oder Zeugen Jehovas hatte noch niemand bei  mir geklingelt. Ich beschloss das Geräusch zu ignorieren, denn ich hatte gerade ganz andere Sorgen! Doch der Besucher war sehr hartnäckig und klingelte weiterhin mehrmals. Langsam wurde ich zornig. „Egal wer das ist, den werde ich jetzt mal ganz schnell abwimmeln“ dachte ich und ging zur Tür.

Als ich öffnete, staunte ich nicht schlecht! Mehrere Polizisten standen vor der Tür und einer hielt mir einen Durchsuchungsbefehl  ins Gesicht! Ich musste lachen – ich konnte nicht anders.  Dieses verfluchte Handy! Ich hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet diese Errungenschaft der Technik, über die ich mich in den letzten Monaten so gefreut habe und die mir die besten Fotos meines Lebens lieferte, mir letztlich das Genick brechen würde!

Epilog

Ferdinand wurde aufgrund der vielen Beweise, die man in seinem Haus fand, des Mordes in drei Fällen angeklagt und es wurde eine besondere Schwere der Schuld festgestellt. Er wurde zu einer lebenslänglichen Haftstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. Ein Gutachter attestierte Ferdinand ein fehlendes Reueempfinden sowie fehlende Empathie gegenüber Mitmenschen.

Durch die anschließende Sicherheitsverwahrung wird er wohl nie wieder einen Fuß außerhalb des Gefängnisses setzen.

Rainer hat inzwischen seiner Frau die Neigung, Frauenunterwäsche zu tragen, gebeichtet. Er hatte sich überlegt, dass nur die Wahrheit die Basis einer guten Ehe sein kann. Überrascht war er sogar darüber, dass seine Frau es leichter aufnahm, als er erwartet hatte. Grundsätzlich toleriert sie seine Neigung sogar, aber nur, wenn er diese in ihrer Abwesenheit auslebt.

Im Laufe der Ermittlungen hatte Rainer erfahren, wer der Voyeur in seinem Garten war. Zuerst war er sehr überrascht, in welchen eiskalten Mörder sich der kleine schüchterne Junge von damals verwandelt hatte, den er in der Schule immer geärgert hatte. Doch nach und nach überwiegte seine Scham, denn schließlich musste er sich eingestehen, dass auch er großen Anteil  an dieser Entwicklung hatte. Er nahm sich vor, seinen Kindern früh beizubringen, dass auch Menschen, die anders sind, toleriert werden müssen. Genauso, wie er  von seiner Frau toleriert wird!

 

 

 

 

 

4 thoughts on “Jagdfieber

    1. Hallo!
      Vielen Dank für Ihr positives Feedback, durch das ich erst mitbekommen habe, dass ich doch noch bei der “Abstimmung” dabei bin… Das ging runter wie Öl! Ich bin nämlich davon ausgegangen, dass keine meiner Geschichten dabei ist, weil ich meinen eigenen Namen bei den vielen Autoren schlichtweg überlesen habe.
      Viel Spaß weiterhin beim Lesen aller eingereichten Geschichten!

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